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In Netphen gab es viele Funde aus der Steinzeit

Die frühe Besiedlung des Siegerlandes ist durch Funde von vielen Steingeräten erkannt worden. Die frühen Siegerländer waren keine feste Siedler, sondern nur Saisongäste. Die Fundstellen in der Region bei Netphen im Kreis Siegen zeigen Spuren von Menschen, die in der Jungsteinzeit, also vor etwa 6.500 Jahren diese Gegend nur zeitweise aufsuchten. Diese Steinzeitmenschen siedelten hier nicht, sondern waren nur vorübergehend anwesend. Auf zahlreichen Äckern, besonders in der Nähe von Gewässern und Quellen, die es in Netphen reichlich gibt, hat man zahlreiche Funde entdeckt. Heute ist das Siegerland eine der reichsten westfälischen Fundlandschaften des Mesolithikums überhaupt. All diese Funde zeigen, nicht nur die keltischen Hüttenleute haben das Siegerland zu einer außergewöhnlichen archäologischen Fundlandschaft gemacht, als sie vor etwa 2.400 Jahren eines der größten Montanreviere der Eisenzeit Europas betrieben. Auch die Steinzeit ist im Siegerland gut vertreten.

Die Altstadt von Netphen (Bild File:Netphen.jpg)
Die Altstadt von Netphen (Bild File:Netphen.jpg)

Die zahlreichen Funde aus der mittleren Steinzeit, die von Netpher Heimatfreunden erst in den letzten Jahrzehnten gemacht worden sind, erregten in Fachkreisen Aufsehen. Die Station am Wittig bei Obernetphen lieferte alleine über 1.000 Funde. Vor dem Südtor des Burggrabens bei Niedernetphen fand man 120 Altsachen. Am hoben Hain und am Busenbach bei Obernetphen sowie am Patschoß bei Walpersdorf fand man uralte Sachen. Aber auch bei Deuz, Dreis-Tiefenbach und Nauholz gab es Fundplätze. Auch am Südhang der Lichtenhardt bei Unglinghausen fand man bei Ausgrabungen Scherben aus der Jung – Steinzeit in einem alten Schürfloch 80 bis 90 cm unter der Erdoberfläche. Zu dieser Zeit vor etwa 6.500 Jahren bestanden aber in den fruchtbaren Börden- und Flusslandschaften um die Mittelgebirge herum vorübergehend feste Ansiedlungen.

Zwei etwa 6.500 Jahre alte Pfeilspitzen die in Netphen gefunden wurden (Bild Archäologie Online)
Zwei etwa 6.500 Jahre alte Pfeilspitzen die in Netphen gefunden wurden (Bild Archäologie Online)

Die Hauptfundstelle „Am Wittig“ ist durch den nach Süden gerichteten Flachhang gekennzeichnet. Eine sehr günstige Lage hat dieser Platz in der Landschaft da im Raum Netphen mehrere Flüsse entspringen. Die Mikrolithen beweisen zunächst einmal, dass wir es mit Hinterlassenschaften von mittelsteinzeitlichen Menschen zu tun haben die noch auf der Wirtschaftsstufe des Wildbeutertums standen. Wildbeuter sind Menschen, die nur durch Fischfang, Jagd und Einsammeln von Früchten für ihren Lebensunterhalt sorgen. In Rückzugsgebieten des tropischen Regenwaldes hat sich diese Lebensform zum Teil bis heute erhalten. Für die Wildbeuter wird vermutlich der Fischreichtum seinerzeit entscheidend gewesen sein. Von hier aus werden sie auch zahlreiche Jagdzüge in die waldreiche Umgebung unternommen haben, wovon die gefundenen Werkzeuge zeugen. Man fand hier Kieselschiefer aus dem Lennetal und Feuerstein aus der Münsterschen Bucht. Diese Fundsachen lassen auf weite Wanderungen dieser Menschen schließen.

Fundstücke bei dem Burggraben der Alten Burg bei Afholderbach (Bild Michael Baales +Manuel Zeiler)
Fundstücke bei dem Burggraben der Alten Burg bei Afholderbach (Bild Michael Baales +Manuel Zeiler)

Diese Station muss längere Zeit bewohnt gewesen sein. Der Kulturausschuss des Amtes Netphen ließ im Jahre 1961 eine Grabung durchführen, die klären sollte in welcher Form die Wildbeuter hier gehaust haben. Es wurden jedoch keine Hinweise für Wohnbauten angetroffen. Wir müssen uns eine Behausung von Hütten oder Zelten vorstellen die keine Spuren hinterlassen haben. Die Altersbestimmungen des umfangreichen Fundgutes sind schwierig. Bei den Hinterlassenschaften treffen wir auf viele geometrische Kleinstwerkzeuge, die für zeitliche und kulturelle Einordnung von entscheidender Bedeutung sind. Man darf vielleicht unter Vorbehalt, dass 5. bis 4. Jahrtausend vor Chr. als ungefähren Zeitraum annehmen. Was suchten also die Menschen in unseren Mittelgebirgen wo sie keinen Ackerbau betreiben konnten. Hier fanden sie keinen geeigneten Boden. Alles deutet darauf hin, dass sie nur kurzfristig im Siegerland waren. Aufgrund des markanten Anteils an Steinartefakten aus nordischem Feuerstein dürften die Menschen aus dem Norden hierher gelangt sein.

Helmut Baldsiefen auf der Pirsch. Seit Jahrzehnten durchstreift er die Fluren der Region (Bild LWL)
Helmut Baldsiefen auf der Pirsch. Seit Jahrzehnten durchstreift er die Fluren der Region (Bild LWL)

Schaut man sich einige dieser Steinsplitter und Steinwerkzeuge an, fragt man sich ob es denn überhaupt möglich war mit diesen Steinen etwas anzufangen. Ja, es war möglich mit diesen Steinen zu arbeiten, denn die meisten Steingeräte waren in Knochen, Holz oder Horn eingesetzt. Diese organischen Bestandteile sind im Laufe der Jahrtausende auf unserem Freiland restlos vergangen, so dass nur noch die widerstandsfähigen Steine uns erhalten blieben. Beweisstücke aus der Steinzeit besitzen wir aber auch aus den Moor- und Pfahlbausiedlungen Europas, wo Horn-, Knochen- und Holzhalterungen unter Luftabschluss erhalten geblieben sind.

Eine Auswahl der ältesten jungsteinzeitlichen Funde bei Dreis-Tiefenbach (Bild H. Menne u. A. Müller)
Eine Auswahl der ältesten jungsteinzeitlichen Funde bei Dreis-Tiefenbach (Bild H. Menne u. A. Müller)

Die Wildbeuter waren Menschen die in der mittleren Steinzeit lebten. Sie waren abhängig von den natürlichen Gegebenheiten wie Früchte, Fische und der Jagd. Sie betrieben noch keine Viehhaltung und bestellten keine Felder. Ihre Lebensweise zwang sie zu ruhelosem Wanderdasein. Diese Lebensweise erforderte ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. War ein Gebiet ausgebeutet mussten sie weiterziehen. Als Lebensgemeinschaft muss man Großfamilien annehmen. Kamen die Wildbeuter bei ihrer Wanderung in ein fremdes Jagdgebiet wird es sicher oft Kampf und Streit gegeben haben. Das erbeutete Wild wurde in der Regel auf alle Gruppenmitglieder aufgeteilt, während die Sammelnahrung nur in der eigenen kleinen Familie blieb. Bei fast allen Wildbeutern wurde eine Aufteilung der Arbeit festgestellt. Der große Altersunterschied unseres Fundmaterials lässt die Deutung zu, dass mittelsteinzeitliche Wildbeuter und jungsteinzeitliche Viehzüchter, die vielleicht 2.000 Jahre voneinander getrennt in der Urwaldlandschaft des Netpher Raumes dieselben Plätze bewohnt haben. Dies ist wohl die am besten zu vertretende Auswertung der Oberflächenfunde.

Es haben etliche Heimatfreunde zu den erfolgreichen Funden im Netpher Land beigetragen. Aber ein besonderer Dank gilt dem Heimatforscher Helmut Baldsiefen der gebürtig aus Wipperfürth stammt. Besonders aufmerksam hat er die Fluren seiner neuen Siegerländer Heimat betrachtet. Schon seit den 1970er Jahren liegt sein Augenmerk dabei auf die steinzeitlichen Funde, die auf den kargen Ackerböden bei uns zu finden sind. So sind durch ihn über 100 Fundstellen neu entdeckt worden. Vor seinen Begehungen war nur eine Handvoll derartiger Fundplätze im Siegerland bekannt. Zu den bemerkenswertesten und bedeutesten Funden von Helmut Baldsiefen gehört auch das älteste Fundstück des Siegerlandes. Es ist eine besonders geformte Pfeilspitze aus der Altsteinzeit.

Literaturhilfe:
LWL Presse: Frühe Siegerländer waren nur Saisongäste
archaeologie-online.de: Frühe Besiedlung des Siegerlandes wohl nur saisonal
Manfred Sönnecken: Von den Steinzeitfunden im Amt Netphen
Westfalenpost: Jung – Steinzeitliche Funde bei Unglinghausen

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