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Als der Hafermotor den Verkehr noch bestimmte

Ein PS Hafermotor - Tram  (Foto/ bus & nahverkehr)
Ein PS Hafermotor - Tram (Foto/ bus & nahverkehr)

Es war eine ruhige Zeit als der Pferde-Omnibus noch fuhr. Es war die neue Errungenschaft der Firma Zahn. Zwei Schimmel (Hafermotore) waren vor dem Bus gespannt und er fuhr vom Siegener Bahnhof ab. Siegen-Weidenau-Geisweid stand auf dem Schild über den Fenstern. Beim Einsteigen wurden die Gäste schon auf ihre Pflichten hingewiesen, denn auf dem Schild stand: "Beim Einsteigen ist das Fahrgeld sofort zu zahlen." 10 Pfennige kostete die Fahrt nach Weidenau und 15 Pfennige nach Geisweid. Mit einer Bimmelglocke, buntem Anstrich und mächtigen Rädern war er nicht zu übersehen. Er fasste 12 Personen und war der Vorläufer der elektrischen Straßenbahn, die erst 1904 in Betrieb genommen wurde.

Zwei Ps Hafermotor mit Postkutsche  (Foto aus Fahrzeugbilder.de)
Zwei Ps Hafermotor mit Postkutsche (Foto aus Fahrzeugbilder.de)

Die Post war ohne Zweifel das älteste Verkehrswesen im Siegerland und das mit Hafermotoren aber ohne Kat. Ein regelmäßiger Postverkehr wurde schon zur oranischen Zeit eingerichtet. Die Regierung in Dillenburg hatte mit der Thurn- und Taxischen Postverwaltung 1774 einen Vertrag abgeschlossen. Deswegen fand ein regelmäßiger Verkehr mit Pferden von Frankfurt über Wetzlar-Herborn-Dillenbug nach Siegen statt. Es ging dann weiter über Hachenburg nach Köln. Die Pferde wurden auf solch einer langen Reise natürlich auf der Strecke ausgewechselt.

An einem Morgen im April 1890 stand in der Pfuhlstraße Nr. 211 schon sehr früh eine Kutsche. Die Bürger lagen noch alle in den Betten, nur im Haus des Schäftemachers Engel war schon reger Betrieb. Er war sehr früh aufgestanden um sich für die lange Reise ins Wittgensteiner und ins Hessische Land vorzubereiten. In der Werkstaft und im Flur standen die Koffern mit Schuhen, Stiefeln, Schäften und Pantoffeln. Schon eine Woche vorher hatte er mit dem Fahrunternehmer Johannes Zahn die Abmachung getroffen und einen Kutscher mit Einspänner bestellt. Der Kutscher war ein junger Mann mit blauer Mütze und Kittel. Er freute sich auf eine vierwöchige Geschäftsreise, für die er mit Pferd und Kutsche gemietet war. Der Kutscher half dem Fahrgast beim Aufladen der Koffer. Dann ging es in aller Frühe los, denn man wollte noch viele Kunden am ersten Tage treffen. Johannes Zahn, der Fahrunternehmer hatte seinerzeit etwa 80 Pferde in seinem Stall am Schafhausweg.

Schonende Waldpflege dank Hafermotor Bild aus Main -Post)
Schonende Waldpflege dank Hafermotor Bild aus Main -Post)

Es gab noch zehn weitere Fuhrunternehmer zur damaligen Zeit. Es waren Carl Geffert in der Löhrstraße, Adam Büdenbender in der Austraße, K. U. F. Hermann in Sieghütte, Adolf Link in der Häuslingstraße, J. Hermann in der Hammerhütte, Hermann lpach in der Hinterstraße, Jakob Link, Am Kohlbett, F. Wienand in der Frankfiurter Straße, Valentin Seibert Hinterm Rathaus und M. Zöller in der Frankfurter Straße. Außerdem besaßen viele gewerbliche Unternehmen ihr eigenes Fahrzeug. Sie hatten es nicht leicht, die Fuhmänner zu jener Zeit, als es noch keine Kraftfahrzeuge und Straßenbahnen gab und außerdem waren sie sehr wichtige Leute. Pünktlichkeit, Ordnung, Pflege vom Pferd, Geschirr und Wagen wurden bei ihnen groß geschrieben.

Bei Kochs Kesselschmiede auf der Sieghütte wurde am gleichen Tag ein großer Rollwagen mit einem schweren Kessel beladen. An dem Wagen wurden 30 Pferde angespannt um das Ungetüm zum Bahnhof zu fahren. Denn die Kochs hatten noch keinen Bahnanschluss. Die Siegener Firmen Schuss, Spannagel und Georg hatten es nicht leicht mit ihren Lebensmittelfahrten. lhre Wege führten jeden Werktag bei Wind und Wetter über oft sehr schlechte, ausgefahrene Straßen in fast jeden Ort im Siegerland. Aber die Hilfsbereitschaft und Kameradschaft bei den Fuhrmännern war sehr groß. Wenn die Firmen in den Freien Grund über die Schränke fuhren, sammelten sie sich vorher bei der Wirtschaft Sturm in Eiserfeld und es ging dann in langer Reihe über den Berg.

Sonntagsausflug Mit dem Hafermotor unterwegs (Bild de. wick.../Flickr)
Sonntagsausflug Mit dem Hafermotor unterwegs (Bild de. wick.../Flickr)

Mit 30 Pferden vorgespannt fuhr man auch die schweren Kessel von Kochs zu den Gruben. Es waren hier oft zerfurchte und ausgefahrene Wege auf denen alle paar Meter Eisenplatten unter die Räder gelegt wurden um die schwere Last von der Stelle zu bewegen. Die Fuhrleute waren raue Gesellen und sie mussten wie die Pferde oft gewaltiges leisten.

Die Hauptkundschaft war die Industrie. So hatten Gontermanns auf der Sieghüfte auch noch keinen Bahnanschluss und alle ihre Produkte mussten mit den Pferden zum Bahnhof gefahren werden. Auch für Bertrams waren täglich zwei Doppelspanner unterwegs. Es waren andere Lasten, wie in den Kutschen die damals die Siegener Zeitung übers Land brachten. Es gab auch sehr lange Reisen, die unter Umständen ein ganzes Jahr dauerten. Zum Beispiel wenn die Firmenvertreter von Ort zu Ort fuhren. Die Kutscher hatten dann kein schlechtes Leben, denn sie lernten Land und Leute kennen.

Vor dem Haus des Sattlermeisters Sommer Siegbrücke Nr. 981 stand ein Droschkenkutscher und wartete auf Ablösung. Die ganze Nacht hindurch war er gefahren. Dreimal hatte er Personen aus der Umgebung geholt. Zuerst hatte ihn der Oberkellner vom Hotel, ''Zum Deutschen Kaiser" geholt, um einen Gast nach Buschgotthardshütten zu fahren. Viel Arbeit hatte er mit dem Betrunkenen gehabt, aber ein gutes Trinkgeld hatte er eingesteckt. Gegen 12 Uhr wurde er auf der Sandstraße bei Bertrams Ofenfabrik gerufen, die Männer wollten, ''Zum goldenen Löwen" am Kommarkt gefahren werden. Dort wurde er von deren Kutscher gebeten, einige Leute nach Eiserfeld und Eisern zu fahren, die im Hotel gespeist hatten.

Der Hafermotor (Foto aus bus & nahverkehr)
Der Hafermotor (Foto aus bus & nahverkehr)

Nun musste der Kutscher noch vier Herren vom Zug, der aus Gießen kam, abholen. Sie wollten nach Eisern gekutscht werden. Vom letzten Fahrgast wurde er noch zu einem lmbiss eingeladen. Gegen vier Uhr in der Frühe kam er erst wieder in Siegen an. Um sechs Uhr sollte er abgelöst werden. Der Kutscher war so müde, dass er auf dem Kutschbock eingeschlafen war. Auch in der Nacht vorher hatte er nicht geschlafen, weil er drei Jagdpächter aus Düsseldorf noch nach Gernsdorf und Walpersdorf fahren musste. Sie kamen mit dem Kölner Schnellzug um 9:53 Uhr in Siegen an und hatten es sehr eilig in ihr Revier zu kommen. Sie hatten es auf Birkhähne abgesehen und die kamen gerne in der Morgendämmerung.

Der Weg von den Pferdedroschken mit den Taxameter, die in den 1880er Jahren eingebaut wurden, bis zum schnellen Taxi unserer Zeit, was noch viele Bequemlichkeiten hatte, ging sehr schnell. Der deutsche Unternehmer Friedrich Wilhelm Gustav Bruhn erfand den Taxameter. Es zählte die Radumdrehungen, woraus sich die Fahrstrecke und somit der Fahrpreis ergab. Aber bei den beliebten Kremserfahrten zum Rödgen, Hohenroth, Eremitage, zum Lahnhof oder ins Wittgensteiner Land konnten die Fahrgäste die Schönheit der Natur richtig genießen. Ein Kremser ist ein geräumiger Planwagen mit Längsbänken auf beiden Seiten. Er wurde 1825 von dem Berliner Fuhrunternehmer Simon Kremers als Pferdeomnibus eingesetzt.

Wollte jemand eine Fahrt machen, so ging er zur Siegbrücke, wo die Droschken ihren Stand hatten. Kretzers August und Mertens Christian gehörten um die Jahrhundertwende zu den bekanntesten Originalen der Hafertaxis. Mancher traute den Traktoren nicht. So schrieb die Welt im April 1958. "Manche Kolchose scheinen den sowjetischen Traktoren überhaupt nicht zu trauen, sie hielten den Hafermotor, das Pferd auf dem Acker für zuverlässiger."

Zwei PS Hafermotor mit Sand unter dem Getriebe (Foto Heidschnuckenweg)
Zwei PS Hafermotor mit Sand unter dem Getriebe (Foto Heidschnuckenweg)

Die Rückepferde sind auch heute noch unsere Arbeitspferde. Aber durch die desolate Lage auf dem Holzmarkt wurde ihr Arbeitsplatz streitig. Deswegen kämpft der umweltfreundliche Hafermotor seit Jahren ums überleben. Nach Auskunft des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes soll es in NRW noch 450 Rückepferde geben. Laut Liste der Interessengemeinschaft sind es weniger. Dort wo die großen Maschinen nicht hinkamen oder fahren, hatten die Rückepferde einen Vorteil. Denn sie kamen überall hin und schonten auf ihrem Weg noch den Waldboden. Der Hengst Harry zum Beispiel zieht mit seinen 16 Zentnern in einer acht Stunden Schicht etwa 20 Festmeter Holz aus dem frostigen Wald. Die starken Kaltblüter können bis 14 Zentner oder 70 % ihres Eigengewichtes ziehen. Sie fressen am Tag 4 bis 6 kg Hafer und einen kleinen Ballen Heu. Ein gut ausgebildetes Rückepferd mit den dazu gehörigen Arbeitsgeräten kostete 5.000 Euro.

Das Zeitalter der Motorsierung hatte den Hafermotor verdrängt. Doch das Pferd war immer noch der Freund und Helfer der Menschen. Den ganzen Tag schleppten sie in den Wäldern die abgeholzten Baumstämme zur Verladestelle und wurden dann selbst zum Feierabend nach Hause in den Stall gefahren. Hieraus kann man sehen, dass die wenigen Pferde, die heute noch im Dienst der Wirtschaft und des Gewerbes stehen, Wahrzeichen einer verflossenen Zeit waren, in der das Pferd den Verkehr bestimmte und in Gang hielt.

Literaturnachweis:
Welt : Waldarbeit mit einem PS
Adolf Müller : Alte Fuhrmanns- und Pferde Herrlichkeit
Wikipedia : Kremser
Unser Krönchen : Das Verkehrswesen im Zeitraffer
Siegener Zeitung : Nachhaltige Kombination
WIKIPEDIA : Taxameter

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